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Jungs sind Arschengel

Hannah Pachler-Sattler

12.102 handgeschriebene Wörter. 12 Briefe hab ich dir geschrieben, in ein schönes Kuvert gepackt, mit Absender und Empfänger beschriftet, und sogar Briefmarken ausm Mittelalter von meiner Oma gestanzt.  

Die Briefe baden immer noch in Staub unter meinem Bett. Ich frag mich echt oft, ob du sie gelesen hättest. Immer wieder war ich kurz davor sie abzuschicken, aber dann hab ich mir selbst eine Realititätswatschn verpasst, wie meine Mama zu pflegen sagt. Hat geholfen. Sie hat gesagt ich solle meine Energie nicht mehr an so einen Trottl verschwenden. Recht hattest du, danke Mami. Manchmal haben die Eltern dann doch recht.

Ich hab so viel durchgemacht wegen dir. Hat sich angefühlt wie verbrennen am lebendigen Leib. Schlimmer. Wie wenn man in Clash-Royal verliert. Essen, schlafen, reden, denken, alle anderen kognitiven und körperlichen Fähigkeiten - futsch. Lang war ich dir böse. Bissl grantig bin ich immer noch. Bis du deppat, ich wollt dir am liebsten dein scheiß MacBook nachwerfen, und dir mit deinem sau lächerlichen Mikrofonständer-Setup eine drübertscheppern. Oder ganz klassisch ein bickiges Getränk ins Gesicht schütten, und sexy-hüftenschwingend wegstolzieren. Aber meine Schwester meinte ein gebrochenes Herz reicht, da brauch ich ned auch noch eine Vorstrafe aufgrund Körperverletzung auf meinen Nacken. Also hab ich mich entschlossen von Reife zu zeigen, und dich bei 47 Werbe-Spam-E-Mails anzumelden, unter anderem eine Helene Fischer Fan-Seite, und an 13 Orten deinen Namen mit dem nachfolgenden Text „du stinkst!“ zu verewigen.

Was du abgezogen hast, war echt „unta olla Sau“, wie meine Oma zu pflegen sagt. Hat auch geholfen. Danke Omi. Dein ganzes Gelaber von „Ich liebe dich – ich hasse dich – nein ich liebe dich doch - blablabla“ hat mich so auseinandergenommen. Bodenlose Aktion von dir. Wenigstens relate ich jetzt zum Lied „Hot and Cold“ von Katy Perry. Slay.

Dass du dann gleich eine Woche nach der gottlosesten Schlussmachaktion ever eine Neue am Klo „beglückt“ hast, (obwohl bei deinen Künsten war sie wahrscheinlich nicht so glücklich), war auch nicht die feine englische Art. Dann hab ich wegen dir mitten am Gang fett geweint, (mehrmals) und mein Mathelehrer hat mich gefragt, ob alles in Ordnung ist. Grüße gehen raus, Mario – Sie sind der Beste!

Mittlerweile ist fast ein ganzes Jahr vergangen und mir geht’s besser. Du bist mein Arschengel. Also der Arsch, den ich gebraucht habe, um ein Engel zu werden. Also danke, dass du so ein triebgesteuerter (darf man schwanzgesteuerter sagen?) Teenie-Junge warst/bist und mir damals mein Herz gebrochen hast. Denn jetzt bin ich selbstbewusster, stärker und glücklicher. Ich weiß, was ich will, und was nicht, und wo mein Wert liegt. Ich hab damals echt gedacht ich muss sterben. Aber das bin ich nicht. Du warst weg, aber was geblieben ist, war die Zukunft, für die ich heute nicht dankbarer sein könnte.

12.569 Wörter, 13 Briefe.


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