Beep.
Ich schaue von einem Berg Papieren hoch und fixiere gespannt das kleine eiserne Gerät am anderen Ende des Tisches. Doch wie auch in den letzten sechsunddreißig Stunden, war dies das Einzige, das laut meinen Aufzeichnungen alle (dreihundertundeinundneunzig) dreihundertundzweiundneunzig Sekunden passiert. Ich wende mich wieder der Zeitschrift aus dem Jahre 1901 zu, die ich in meiner Hand halte. „DER WELTKURIER“ steht mit großen, dicken Buchstaben auf der oberen Hälfte des Deckblattes. Darunter befindet sich ein schwarz-weißes Bild von einem scheußlichen Mann mit buschigem Bart und einem viel zu kleinem Hut auf dem Kopf.
Beep.
Es ist nun neunundzwanzig Monate her, seitdem der Mann uns die Taschen leerte. Er war in allen Zeitungen auf der ganzen Welt und genoss den Ruhm seines Lebens. Ganze drei Monate hielt das ganze Spektakel an, bis sich herausstellte, dass dieser Mann ein (Hurensohn) Schwindler war und nicht wirklich eine Zeitmaschine erfunden hatte. Vor genau sechzehn Monaten, siebenundzwanzig Tagen, neun Stunden und vierundfünfzig Minuten wurde er wegen seiner Tat zu unserem Erstaunen und unserer Befriedigung exekutiert. (Dieses Schicksal will ich unbedingt vermeiden. Nicht, dass ICH ein Schwindler wäre.)
Beep.
Wie würden wohl die Menschen in der Zukunft andere bestrafen? Würden sie sie an ein Gerät schließen, das die Erinnerungen und die Persönlichkeit löscht und grausame Schmerzen bereitet, bis nur noch eine leere Hülle besteht? Würden sie sie ins Weltall schießen und zusehen, wie sie ersticken? Würden sie sie zu Gegenständen mutieren, um ihnen so die Freiheit zu rauben? Wären Menschen zu so etwas fähig in einer Welt, in der es wahrscheinlich fliegende Städte, Roboter-Menschen und permanente Zugänge zu Paralleluniversen gibt?
Beep.
Ich seufze.
Ich bin so nah dran, (im Gold zu baden) die Menschheit zu verändern.
Beep.
Keine dreihundertundzweiundneunzig Sekunden.
Beep.
Ich haste den Tisch entlang und hebe die Zeitmaschine hoch.
Beep.
Stille.
OMG. Das Einzige, was meine Sinne vernehmen, ist mein eigener Atem.
Ich trete einen Schritt nach vorn und stoße an etwas Hartes. Es ist eine kleine schwarze Tür, auf der, nach meiner Berührung, leuchtend rote Zahlen erschienen sind, die das Datum 11.05.1916 bilden. Sachte stoße ich die Tür auf und trete beinahe auf das Gesicht eines mageren Kindes. Bevor ich mich abwenden kann, greift es nach meinem Bein und sieht mich bettelnd an. Es bricht mir beinahe das Herz, doch in dieser Straße liegt es nicht allein im Sterben. Voller Schuldgefühle (und weil mich dieses konstante Schluchzen nervös macht), wende ich mich ab und gehe wieder durch die Tür.
Zitternd taste ich mich am Boden entlang, bis ich zu einer anderen Tür mit dem Datum 28.07.1943 gelange. Ganz vorsichtig öffne ich auch diese, doch hinter dieser Tür ist es leise. (Viel zu leise). Die Luft ist grau und meine Augen brennen, als ich um mich blicke. Die Umgebung ist dieselbe. Hamburg, die Stadt, die ich kenne und liebe, sieht jedoch kein bisschen so aus wie davor. Das Rathaus und alle restlichen Gebäude (inklusive meiner Wohnung) liegen in Trümmern. Auf den Straßen liegen überall leblose Körper. (Auch solche, die man nicht einmal mehr als Körper bezeichnen kann.) Das ist mir nun doch zu viel und ich ziehe mich zurück.
Ich will nur mehr in mein stickiges Arbeitszimmer zurück. Erschöpft und aufgewühlt schließe ich die Augen und murmle immer wieder die Worte „Zukunft bleibt Zukunft. Vergangenheit bleibt Vergangenheit. Jetzt bleibt Jetzt.“ vor mich hin.
Als ich zu meiner Erleichterung den bekannten Geruch meines (außerordentlich schlechten Lebensstils) Zimmers rieche, öffne ich langsam wieder meine Augen. Was auch immer ich da gerade gesehen habe, (kann) darf nicht passieren. Mit einem Mal realisiere ich, dass die Zeitmaschine, die ich immer noch festhalte, die größte Waffe ist, die es je gab. (Nicht, um zu prahlen.) Ich muss sie zerstören, bevor sie in die falschen Hände gerät. Doch wie, um Himmels Willen, soll ich jetzt die Zukunft retten…