Ich ging in die Kantine. Mit den Händen fest vor meinen Bauch geklammert, hielt ich einen Kontrabass. Er versperrte mir die Sicht auf alles, was vor mir lag. Anhand der Hufklappergeräusche versuchte ich den zahlreichen Zebras aus dem Weg zu gehen, die im Raum verteilt saßen oder standen. Die Kantine war links von mir, eingelassen in eine orange Wand. Vorne an der Kassa standen drei Nonnen. Waren die drei Kassen einmal überlastet, so sprang ihnen immer der Chefkantinenkoch zur Hilfe. Dies war nun der Fall. Schnaufend ging ich an den Nonnen vorbei, und stellte den Kontrabass vor einem kleinen Glaskasten mit steirischem Schnitzel auf den Boden. Klong. Die Saiten sangen den Chef an. Und ohne, dass ich ein Wort sagen musste, drehte er sich um und stellte sich vor mich hinter die Auslage. Meine Hände waren verschwitzt, und der Kontrabass lag ölig in meiner Hand.
„Ave“, brummte der alte Mann. Dabei walzte er seine Unterlippen einmal über die obere Zahnreihe. Er hatte mehrere Fenster in seinem Gebiss, und dahinter konnte ich eine bemooste Zunge erkennen.
„Servus, äh, hallo, äh, ich hätt gern… äh… Was haben S‘ denn überhaupt?“
Seine Nase fuhr ein Stockwerk höher. „Wir haben Bettdecken, und Schnitzel.“
„Hm“, ich musste überlegen. Ich blickte an ihm vorbei in das innere der Küche. Tatsächlich. An zahlreichen Wäscheleinen, vom Ofen über das Waschbecken gespannt bis hin zum Kühlschrank, hingen Decken in allen Farben. Und wo auch immer ein Quadratzentimeter frei war, staute sich das Schnitzel.
„Hamma sunst noch was?“, wandte er sich an die Nonne neben ihm. Ihr Kopftuch wehte im Wind seines Atems.
Sie sah ihn verständnislos an. „Na. Aber die Schnitzel tat i net essen. Heit fruah hob i fünf…“
– sie hob ihre Hand und streckte dem Chef fünf warzige Finger entgegen-
„…fünf tote Meis in der Abwasch gefunden. Also nix hygienisch des Ganze. Ich empfehle Bettdecke.“
Die Nase des Mannes fuhr zwei Stockwerke tiefer, und hing jetzt über seine sich walzenden Unterlippen. Er drehte den Kopf wieder zu mir. Blickte mich mit ernsten Augenbrauen an.
„Willst eine Bettdecken? Oder ein angesorchtes Schnitzel?
Ich überlegte kurz, und wippte dabei den Kontrabass hin und her. Dieser gab verhalten quintige Töne von sich.
Da stieß mir etwas hartweiches auf die Schulter, und ich spürte schleifenden warmen Atem in meinem Nacken.
„Oida, beeil dich bitte. Es warten ich und noch zehn andere Zebras auf unsere Bettdecken.“
Ich antwortete gar nicht erst, sondern sah jetzt meinen Moment gekommen. Schnell wie ein Lichtschalter riss ich ein Kabel aus meiner Jackentasche, klemmte das eine Ende an die Nase des Kantinenchefs, warf das andere grob um die Schnauze des Zebras hinter mir. Das alles geschah innerhalb einer halben Sekunde. Die beiden hatten noch gar nicht begriffen, was geschehen war, da begannen sie schon vor meinen und den Augen der drei Nonnen zu tanzen. Der Chef sprang über die Auslage, riss den Glaskasten mit den Schnitzeln zu Boden, und hetzte auf das Zebra. Wie ein Cowboy schrie er archaische steirische Ausdrücke und klopfte sich auf den Hals. Das Tier sprang von den Vorderbeinen auf die Hinterbeine und zurück. Beide waren immer noch mit dem Kabel verbunden. Lachend begann nun ich auf meinem Kontrabass zu zupfen. Die Nonnen zuerst ganz starr, klatschten nun begeistert in die Hände, und fassten sich dann an den Schultern, um einen griechischen Tanz aufzuführen. Auch die anderen Zebras im Raum steppten nun zum Rhythmus. Aus dem Nichts war auch ein asiatischer Harmonikaspieler aufgetaucht.
Nach etwa einer Stunde unermüdlichen Tanzens stürzte der Kantinenchef vom Rücken des Zebras, und kroch halb tot auf mich zu.
„Wie hast du das gemacht Oida, war des Magie?“
„Nein“, antwortete ich stolz grinsend, „es war nur Homöopathie.“
Die Nonnen strahlten mich bewundernd an. Wollen S‘ jetzt was bestellen? Nach der Freud, die S‘ uns da bereitet haben, gebma’s Ihnen natürlich gratis.
Ich schwang den Kontrabass über die Schulter und schritt aus dem Raum.