fbpx

Eine andere Sicht

Lara Ertürk

Umgebung verschwommen, Augen glasig und Geräusche gedämpft.
Noch 910 Atemzüge.
Mein Schicksal ist besiegelt und der Tod durch meine Augen gespiegelt.
Atmosphäre einer grauen Zelle, in der man gesperrt ist, würde man glauben.
Schließlich ist Grau die Farbe der Unterdrückung und des Individualität-Raubes.
Doch ich bin frei, freier als je zuvor, denn meine Sicht ist bedeckt mit einem grünen Schleier.
Schließlich ist Grün die Farbe der Hoffnung, Freiheit und Harmonie zweier.
Noch 540 Atemzüge.
Die Zahl entschieden durch die, die meinen, Taten in gute und böse einteilen zu können.
Ich sei schuld. Tun bedeutet Konsequenz und meine ist mein Ende. So wollte man es.
Die Stahltür geöffnet, geöffnet durch die Hände, welche mich in mein Sterbebett begleiten sollen.
Mein Gesicht grau, überspielt durch meine Taubheit sieht man keine einzelne Träne rollen.
Noch 220 Atemzüge.
Noch bin ich jung, aber alles hat ein Ende, nur ist es manchmal früher und manchmal später.
Doch bedeutet Ende nicht auch Freiheit, selbst für einen Täter?
Noch 130 Atemzüge.
Nun begleitet in einen hellen Raum, voller Kälte, gesetzt auf einen Stuhl, mit Härte, starre ich nach vorne, in das Grüne. 
So soll es sein, ohne Gnade.
Noch 60 Atemzüge
Alles wird vorbereitet, Hände mit Handschuhen testen Flüssigkeiten, Spritzen werden gesäubert.
In Ruhe wird mir der Ablauf erläutert.
All dieser Aufwand nur für mich? 
Noch 20 Atemzüge.
Aufgegeben von der Gesellschaft wurde ich.
Man findet keinen Ausweg für solche wie mich,
also ist Beseitigung die einzige Sicht.
Fair, ist es nicht?
Ein Leben, für ein Leben.
Alles im Gleichgewicht.
Noch 5 Atemzüge.
Nun bin ich ein ,,war‘‘ und nicht mehr ein ,,ist‘‘,
doch macht das einen Unterschied, wenn mein Herz grün ist?



KONTAKT info.literatur@ortweinschule.at

KONTAKT
info.literatur@
ortweinschule.at

Sponsoren