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5.Platz: Memento Mori

Manuel Hirschegger

Am Puls der Zeit wird es zusehends ungemütlich.

Es herrscht Ausnahmezustand, dauerhaft.

Eindrücke und Emotionen feuert man wie wild gegen alles und jeden. 

Äxte der Bildgewalt rasen nieder und begehen Genozid an unserem Bewusstsein.

Abgestumpfte Empfindungen glimmen am Boden der Tatsachen, wie fallengelassene Tschick.

Man wirft alles in einen großen Kessel und spritzt das stinkende Gebräu wahllos durch das Weltgeschehen. 

Nur.

Es perlt ab an uns. 

Schlagzeilen boxen ohne Kraft, sind reduziert zu einem beiläufigen Tätscheln. 

Unglück, das man auf uns abwirft, donnert für einen Moment, doch ohne Widerhall.

Der Mensch hat sich angepasst, der verpesteten Sphäre.

Man lebt ohne Rücksicht auf Verluste.

„Wir“ hat jeden Wert verloren.

„Ich“ liegt lange schon im Trend.

Jeder schaufelt sich hier sein eigenes Grab.

Und doch sitzen wir gemeinsam in einem Boot.

Wasser dringt durch Ritzen und Lecks, das Holz ist morsch und bricht beizeiten.

Am finsteren Grund brodelt eine dunkle Masse. 

Es ist die Lebensessenz, die wir dem Wohlstand opferten. 

Sie kocht vor Häme, ein millionenfaches Grinsen glänzt dort unten.

Während wir hier oben ihre Rache selbst an uns vollziehen.

Wir sind Täter, Richter, Henker.

Alles in einem.

Gegen diesen Pessimismus entwickeln wir laufend Resistenzen.

Pharmazeutika stützen uns dabei von innen.

Wir gießen unsere Chemie in den Strom, sie sackt ab und stärkt den Hass nur weiter.

Den Sud aber trinken wir selbst.

Er nährt uns und die nächsten.

Schafft eine toxische Trance, einen Nebel, der sich um unsere spröden Glieder legt.

Sie scheinbar bettet, dann plötzlich loslässt.

Knochen bersten, Moral bricht.

Wer nicht Acht gibt, fällt tief.

Es ist anstrengend, nicht wahr?

Darum lassen wir es lieber gut sein.

Hohn und Spott den Achtsamen!

Unsere Herzen pumpen bloß noch ätzenden Saft.

Was sich ablagert, zu einer Kruste schlichtet, ist purer Hass.

Was sich zeigt, nach außen hin, ist unverdünnte Wut.

Und nackter Zorn.

Auch Müdigkeit.

Die Gesellschafft harrt in starrer Pose, versteinert, nicht fähig sich an Land zu retten.

Verpuppt in einem Kokon, den zu verlassen wir nicht im Stande sind.

Im Vakuum verfaulen wir.

Kein Schmetterling, ein Todesfalter schlüpft.

Vielleicht. 

Irgendwann.

Längst verstrichen sind die Zeiten des Fortschritts.

Die einzig uns bekannte Richtung ist zurück.

Denkt daran, Freunde.

Memento mori.

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