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Heutiges Thema!

Valentina Butter

„Da bin ich wieder!“, begrüßte er den alten Baum mit seiner jugendlichen Stimme. Wie so oft war er gekommen, um hier den Nachmittag zu verbringen. Das grüne Herz in der Rinde der Buche begann freudig zu schimmern, als das Kind den Giganten erreicht hatte. Der Bub umkreiste den Baum, die nackten Füße strichen durch das hochgewachsene Gras, das sich in saftigem Grün über die umliegenden Hügel erstreckte. Ein leichter Windhauch ließ die zahlreichen Gräser der Wiesen sanft hin und her wiegen.

Der Junge hatte seinen Rundgang beendet und blieb vor dem pochenden Herzen stehen. Es lag direkt vor ihm, eingebettet inmitten des Stammes. Als seine Finger es vorsichtig berührten, leuchtete das intensive Grün auf, überstrahlte für einen Moment alle umliegenden Pflanzen. Ein Lächeln zeichnete sich auf den Lippen des Buben ab. Er ließ sich im Gras nieder und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Baumstamm. Für einen Moment schloss er die Augen und genoss das Summen der Bienen, lauschte dem Rauschen der Blätter, hörte die Grillen zirpen und die Vögel zwitschern. 

„Ich habe etwas mitgebracht!“, erklärte er dem Baum stolz, zog hastig ein zerknittertes Papierknäuel aus seiner Hosentasche und sprang auf. „Heutiges Thema!“, rief der Junge, richtete sich zu voller Größe auf und las vor: „Bau neuer Parkplätze und Wohnviertel in der Steiermark! Papa sagt, das ist hier bei dir! Ich- “ Der Junge hielt erschrocken inne. Das grüne Herz des Baumes hatte zu flackern begonnen. Teile des satten Grüns waren verdrängt worden, schwarze Flecken traten hervor. Der Junge ließ den Artikel fallen. „Was hast du denn?“, fragte er verängstigt und berührte die Rinde. Sie pochte, Stücke davon brachen ab und fielen zu Boden. Der Baum bebte. Das Kind klammerte sich an den Stamm und schloss die Augen. Allmählich verebbte das Beben, die Äste hoben sich an, die stürmischen Bewegungen gingen in sanftes Rauschen über. Der Bub öffnete vorsichtig die Augen. Sein Blick wanderte zum Herz. Teile des Grüns waren verschwunden, anstelle der gesunden Farbe klafften nun schwarze Löcher. Fragend sah er die Buche an. „Weißt du, immer, wenn Menschen neue Parkplätze bauen, Häuser und Einkaufszentren entstehen, sind wir Pflanzen betroffen. Unsere Freunde sterben. Wir Bäume spüren das. Manche sind traurig, weil sie Freunde verlieren. Manche sterben mit ihnen, weil sie allein nicht leben können!“, erklärte der alte Baum mit trauriger Stimme. Der kleine Junge sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Das ist doch nicht gut! Wieso machen die Menschen das?“ - „Ich beobachte seit Langem, wie die Menschen mit der Natur umgehen. Sie ist ihnen im Weg!“ Die Stimme des Giganten war müde. 

Der Bub runzelte die Stirn und ließ seinen Blick über die Wiesen schweifen. „Es ist so schön hier! Was passiert, wenn hier Parkplätze gebaut werden? Was passiert mit den Tieren? Mit den Gräsern, den Büschen?“ Der Junge hielt inne und fügte leise hinzu: “Was passiert mit dir?“ Der Baum ließ seine Äste hängen. „Sie werden auch mich entfernen.“ Der Bub schüttelte energisch den Kopf. „Aber Bäume sind doch wichtig! Alle Pflanzen sind wichtig! Ohne sie können wir nicht leben!“ Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „Ohne sie kann ich nicht leben!“- Die Buche seufzte. „Du hast Recht, kleiner Mann. Wenn es so weiter geht, werden nicht nur wir Pflanzen sterben. Auch die Menschen werden betroffen sein.“ „Wieso sieht jeder nur zu? Wieso verhindert das niemand?“, fragte der Junge und sah den Baum flehend an. „Die Natur hat bereits genug Zeichen gesendet. Manche Menschen haben diese erkannt. Doch die meisten Menschen kümmert das nicht.“ Tränen traten in die Augen des Jungen. „Ich will nicht, dass du stirbst! Bleib bei mir!“ Er kauerte sich unter die alte Buche, zog seine Knie an und kuschelte sich an den Stamm des Giganten. Die Buche beugte ihre Äste, legte sie schützend um das Kind. „Bis die Menschheit dies begreifen wird, wird es zu spät sein. Die Gier des Menschen wird ihn am Ende zerstören.“

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