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Zwischen Zeit und Zukunft

Stephan Meßner

Der Regen prasselte unaufhörlich gegen die Fenster der kleinen Wohnung. Lena saß am Schreibtisch und starrte auf den Bildschirm ihres alten Laptops. Draußen flogen die neuesten Modelle autonomer Fahrzeuge vorbei, während in der Ferne das leuchtende Hologramm des Eiffelturms pulsierte. Paris hatte sich verändert, doch in diesem Moment fühlte sich Lena seltsam verloren.

„Mama, wie wird die Zukunft aussehen?“ fragte Lenas Tochter Mia, die plötzlich im Türrahmen stand. Lena drehte sich zu ihr um und lächelte. Mia hielt ihren kleinen Roboterhund in den Armen, ein Geschenk von Lenas Mutter, die vor Jahren in die neue digitale Welt abgetaucht war und ihren Körper hinter sich gelassen hatte.

„Das weiß niemand genau, Mia. Aber eins ist sicher: Die Zukunft bleibt immer ein Rätsel, das wir Tag für Tag entschlüsseln müssen,“ antwortete Lena und zog ihre Tochter zu sich.

„Oma sagt immer, dass wir die Zukunft gestalten können,“ meinte Mia nachdenklich.

Lena seufzte. Ihre Mutter hatte recht, doch die Gestaltung der Zukunft brachte auch Verantwortung mit sich. „Ja, das stimmt. Aber wir müssen auch aus der Vergangenheit lernen und die Gegenwart schätzen.“

Die Worte hallten in Lenas Kopf wider, als sie sich erinnerte, wie ihre Mutter ihr die Bedeutung des Fortschritts beigebracht hatte. Fortschritt bedeutete nicht nur technologischen Wandel, sondern auch die Entwicklung von Werten und Menschlichkeit.

„Weißt du, Mia,“ begann Lena, „als ich so alt war wie du, gab es keine fliegenden Autos oder Hologramme. Wir hatten Bücher aus Papier und mussten uns die Geschichten selbst vorstellen. Es war eine andere Zeit, aber sie hatte ihren eigenen Zauber.“

Mia setzte sich auf Lenas Schoß und schaute sie mit großen Augen an. „Erzähl mir von früher, Mama. Wie war es, als du klein warst?“

Lena lächelte und begann zu erzählen. Sie erzählte von den Sommern bei den Großeltern, von den ersten Handys, die noch keine Smartphones waren, und von den Tagen, an denen sie mit Freunden draußen gespielt hatte, bis es dunkel wurde. Mia lauschte gebannt, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen.

Als Lena geendet hatte, fragte Mia leise: „Wirst du auch irgendwann in die digitale Welt gehen, so wie Oma?“

Lena erschrak bei dem Gedanken. Die digitale Welt, in der das Bewusstsein in einen virtuellen Raum hochgeladen wurde, versprach Unsterblichkeit, doch Lena fürchtete die Isolation, die damit einherging. „Ich weiß es nicht, Mia. Vielleicht eines Tages. Aber im Moment möchte ich hier bei dir bleiben und die echte Welt genießen.“

Mia nickte ernsthaft. „Ich verstehe. Ich hoffe, dass die Zukunft genauso schön wird wie deine Geschichten von früher.“

Lena drückte ihre Tochter fest an sich. „Das hoffe ich auch, Mia. Die Zukunft bleibt, aber es liegt an uns, sie zu einer guten zu machen.“

Draußen hatte der Regen aufgehört, und die ersten Sonnenstrahlen brachen durch die Wolken. Lena schaute hinaus und fühlte einen Funken Hoffnung. Die Zukunft war ungewiss, aber solange sie ihre Menschlichkeit bewahrten, konnte sie nur besser werden.

Gemeinsam standen sie am Fenster und blickten auf die Stadt, die sich ständig veränderte, aber in ihrem Herzen doch gleich blieb. Lena wusste, dass es ihre Aufgabe war, Mia beizubringen, was wirklich zählte: Liebe, Mitgefühl und die Fähigkeit, die kleinen Wunder des Lebens zu schätzen. Denn egal, wie sehr sich die Welt veränderte, diese Werte würden immer Bestand haben.

Die Zukunft blieb, und mit ihr die Hoffnung auf eine bessere Welt.


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