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Ein ewiger Bewohner

Leonie Grill

Nun schwankte er da. Wehend im Winde seine einzigartig geformten Blätter, welche wegen ihrer auffallend goldigen Farbe eine Szenerie aus der ansonst kahlen Landschaft machten. Dieser Ginkgobaum verweilte nun schon eine Ewigkeit hier. Einst ein winziger Spross, eingesetzt von einer nicht allzu lang verschollenen alten Dame. Madame war doch so... fürsorglich, wie eine liebende Mutter, jedoch hatte sie nie Kinder, denen sie voller Hingabe hinterherrennen konnte. Kein herumtoben, kein Kinderlachen, auch kein nächtliches Geschichten erzählen. Dafür hatte sie das Bäumchen. Es schenkte ihr Freude. Freude, welche nun langsam schwindet. Keiner warf ein Auge auf das einzigartige Gewächs. Es war nur ein weiterer Baum in einem großen verwachsenen Garten.

Lange Winter und trockene Sommer musste das Bäumchen überstehen, bis es eines Tages eine helle Menschenstimme wahrnahm. Ein kleiner Junge tollte aus der sonst verschlossenen Terrassentür heraus. Ganz verwundert war der Ginkgo als diese winzige Menschengestalt ihn erblickte und sich nach oben reckte und streckte, um die herzförmigen Blätter seiner Äste zu ergreifen. Erfrischende Zuneigung floss durch seine Nervatur. Die Zeit war für einen Augenblick wie stehengeblieben. War dies ein Neuanfang? So alt wie das Bäumchen auch war, es würde ewig weiterleben. Dies war der Kreislauf des Ginkgobäumchens. Es war in der Zukunft dieses Hauses und seiner weiteren Bewohner verankert, dies war sicher.


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