Er erinnerte sich noch genau an das Gefühl, als wäre es erst gestern gewesen. Die Geborgenheit, die er verspürte, als er in Hand in Hand mit seinen Eltern erstmals die Straßenbahn betrat. Die Bahn war leer. Damals war ihm gar nicht bewusst wie groß die Welt wirklich war.
Die Straßenbahn setzte sich in Bewegung.
Es stiegen mit der Zeit Leute dazu, es dauerte nicht lange da lernte er ein altes Ehepaar kennen welches sich als seine Großeltern vorstellte. Kurz darauf traf auch der Rest seiner kleinen Familie dazu. Die Bahn raste durch Wiesen und Wälder. Immer mehr Leuten traten dazu und aufs Neue lernte er sie alle kennen.
Nach ein paar Stationen verließ sein Opa die Bahn. Er erinnerte sich noch daran, wie er seine Eltern fragte: „Mama, Papa warum steigt Opa aus?“ sein Vater antworte betrübt „Das war seine Station, da muss er aussteigen, irgendwann in der Zukunft wirst du es auch müssen“. „Aber alles zu seiner Zeit“ fügte seine Mutter rasch hinzu und drückte tröstend seine Hand.
Von diesem Moment an, merkte er immer mehr mit, wie Leute bei diversen Stationen die Bahn verließen. Er mache sich jedoch nicht allzu viele Gedanken darüber.
Bis der Moment kam, der ihn am meisten erschütterte. Seine Mutter stieg aus. Er konnte sich noch an jedes detail erinnern, wie sie aufstand und in Richtung Tür schlenderte. Zuerst verstand er nicht was vor sich ging, jedoch, als ihm die Tränen in den Augen seines Vaters bewusstwurden, begriff er alles recht schnell. Er stand auf, versuchte sie zurückzuhalten, doch zwecklos. „MAMA! WO GEHST DU HIN? BLEIB STEHEN!“ Brüllte er ihr panisch nach, doch das Kreischen verwandelte sich rasch in ein flehendes Schluchzen „bitte nicht bleib, bitte“ Doch ohne sich auch nur umzudrehen, trat sie hinaus. Als wäre nichts setzte sich die Straßenbahn in Bewegung.
Von dem Moment an war sein Vater nicht mehr derselbe, er verwandelte sich in ein Wrack, ohne ein Wort zu sagen saß er da und starrte in die leere.
Die Zeit verging, er lernte neu Leute kennen, seine erste Freundin, er versuchte gut möglichst das Geschehene auszublenden, doch es war unausweichlich, jedes Mal, wenn er nur eine andere Person aussteigen sah, war es so, als würde ihn die Vergangenheit einholen.
Er merkte kaum, wie sein Vater die Straßenbahn verließ. Stattdessen kümmerte er sich, soweit er in der Lage war seinen Gedanken zu entkommen, seine Frau. Sie bekamen ein Kind, er konnte sich nicht mehr genau erinnern, wie sie es nannten. Denn auch seine Frau verließ ihn, sie nahm das Baby mit sich.
Er war allein, keine einzige Person war an seiner Seite. Er wusste nicht, wie das passieren konnte, es ging alles so schnell. was hatte nur er falsch gemacht?
Er betrachtete seine Hände, die damals so elegant und glatt waren, jetzt waren sie nichts weiter als raue, faltige Pratzen. Er hatte kaum bemerkt, wie schnell die Zeit verging. Es war, als wäre sie nach dem Verlassen seiner Mutter stehen geblieben.
Die Bahn blieb stehen er konnte eine kleine Anschrift erkennen, welche das Wort „Endstation“ bildete.
War er nicht gerade erst eingestiegen? Und jetzt war er schon am Ende angelangt? Die Türen öffneten sich, ein eisiger Wind wehte ihm entgegen. Es war, als würde sich ein unsichtbarerer Schleier über ihn werfen und ihn mit sich ziehen. Ohne auch nur zurückzublicken, ließ er es geschehen .