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The Life I Could Have Lived

Emma Scherf

Langsam und in Gedanken verloren gehe ich den Weg an der Mur entlang. Warum Ich? frage ich mich immer wieder. Womit habe ich das verdient? Ich richte mir meine Perücke zurecht. Brustkrebs, ausgerechnet Ich. Mein Leben zieht an mir vorbei und ich kann nichts dagegen tun.

Meine Familie hat Hoffnung, dass ich es überleben werde, ihnen zuliebe tu ich so als würde mir die Chemo helfen. Doch das tut sie nicht. Ich sitze in einem tiefen Loch und schaue dem Tod entgegen.

Kinder, mindestens zwei wären mein Traum gewesen. Ein Mann, der mich liebt und mir an meinen Geburtstagen Frühstück ans Bett bringt. Nun bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich meinen dreiundzwanzigsten Geburtstag erlebe. Das Leben ist unfair, denke ich mir immer wieder, während ich einem weiteren unaufmerksamen Fahrradfahrer ausweiche. Die werde ich nicht vermissen.

,,Lotta!“ Eine hübsche Blondine kommt mir entgegen. Sie ging in dieselbe Klasse wie ich. Damals, als noch alles normal war. „Julia, du siehst gut aus“ keine Lüge, sie war schon damals der Jungsschwarm der Schule. Glücklich erzählt sie mir von ihrem Studium und den Modeljobs, die sie in letzter Zeit bekommen hatte. Das hätte ich sein können. „Wie geht es dir?“ Sie sieht mich mit dem Blick an, den ich nur allzu gut kannte. Mitleid.

Ich erzähle ihr von der Chemo und meiner Operation. Unauffällig sieht sie auf meine linke Brust. Dann geht sie. Vermutlich zu ihrem nächsten Shooting.

Gerade als ich die Mur überquerte, wirft ein Jugendlicher eine Plastikflasche von der Brücke. Was wird wohl aus dieser Welt, wenn ich weg bin. Ich werde es nie erfahren. Ich gehe, aber die Zukunft bleibt.


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