Draußen ist es kalt und windig. Ich schaue aus dem Fenster auf die Straße, wo beinahe Verkehr ist, sehr unüblich um diese Uhrzeit. Beinahe vermisse ich die vertrauten Geräusche von Autos, Bussen und LKWs. Sie haben etwas Beruhigendes an sich. Na ja. Wenigstens bin ich gerade nicht draußen, denn es stürmt wie verrückt. Langsam wird mir jedoch langweilig. Obwohl meine Geschwister zuhause sind, hört es sich an, als wären sie nicht nur im Wohnzimmer, sondern ganz, ganz weit weg. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber es interessiert mich gerade nicht allzu viel. Ich fange also an nachzudenken. Über Gott. Über mein Leben. Über meine Freunde, über die Schule, über meine Familie. Und auch über die Zukunft. Wie wird es wohl sein, in einem Jahr zum Beispiel? Werde ich meine Ziele erreicht haben? Ich weiß es nicht. Das macht mir dann schon ein wenig Angst, diese Ungewissheit. Allerdings schleicht sich dann ein neuer Gedanke in meinen Kopf. Was ist, wenn sich Garnichts verändert? Was ist, wenn ich gleich bin in einem Jahr? Wenn ich mich nicht verändere? Ich weiß es nicht, zugegebenermaßen. Aber was ich weiß, ist, dass ich unglaublich enttäuscht wäre, traurig, sehr traurig sogar. Wenn ich auf heute zurückblicke und tief im innersten weiß, dass ich kein bisschen anders geworden bin. Ich glaube nicht, dass ich das aushalten könnte. Aber wie kann ich das verhindern? Was möchte ich verändern? Wer will ich sein, in einem Jahr, wer würde ich jetzt gerne sein? Wie fange ich damit an? Ich denke nach. Über Dinge, die ich bewundere, Ziele, die ich erreichen will, und wie ich in Zukunft sein will. Ich mache eine Liste. Eine Liste, mit allen Eigenschaften, die mir nicht gefallen, die ich zu vermeiden versuchen muss, und mit jenen, die ich an mir oder anderen schätze. Dann mache ich noch eine Liste. Eine, auf der meine persönlichen Ziele niedergeschrieben werden, ob sie nun materiell sind oder nicht. Als ich fertig bin, schaue ich auf die Uhr. Es ist schon verdammt spät. Mir ist gar nicht aufgefallen wie viel Zeit eigentlich vergangen ist, so vertieft war ich in meine Gedanken. Ich habe sehr viel und auch sehr detailliert geschrieben. Doch jetzt bin ich fertig. Ich bin auch wirklich stolz darauf, was ich mir da ausgedacht habe. Wenn ich mich nur daran halte, was auf diesem Blatt Papier steht, werde ich genauso werden, wie ich es mir schon immer gewünscht habe, meine Ziele erreichen und es wird definitiv nichts beim gleichen bleiben. Da ruft plötzlich jemand: „Cian, runterkommen, Essen ist fertig!“. Jetzt wo ich daran denke, fällt mir auf, dass ich heute erst sehr wenig gegessen habe, und ich stürme nach unten. Die beiden Listen werfe ich dabei achtlos auf einen Stapel Bücher, der in der Ecke steht. …
Ein Jahr später…
…Ich bin gerade dabei, einige Bücher in Kartons zu packen, als mir plötzlich zwei Blätter runterfallen. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag. Es sind die beiden Listen, die ich vor einem Jahr geschrieben habe. Ich kann mich wieder haargenau erinnern, wie zuversichtlich ich damals war, dass alles besser werden würde, und alles nur von dieser Liste abhänge. Nun, was soll ich sagen, ich habe mich nach jenem Tag vor einem Jahr nicht mehr daran erinnert. Typisch. Nicht dass ich sie gebraucht hätte, doch ich war schon ein wenig enttäuscht, dass ich so etwas einfach vergessen habe. Ich lese sie mir andächtig durch. Sie entspricht nicht mehr ganz meinen Vorstellungen, doch größtenteils sind unsere Ziele noch immer gleich. Vielleicht sollte ich sie einfach ein wenig anpassen und es dieses Jahr noch einmal versuchen? Wenn ich mich nur daran halte, was auf diesem Blatt Papier steht, werde ich genauso werden, wie ich es mir schon immer gewünscht habe, meine Ziele erreichen und es wird definitiv nichts beim gleichen bleiben…