Ich öffne die Tür zu meinem Keller und steige die dunkle Treppe hinab. Unten angekommen drücke ich auf den Lichtschalter und der Raum wird mit weichem, gelblichem Licht geflutet. Du bist schon hier. Sitzt auf deinem Stuhl, zusammengesunken wie immer. Ich bin fast fertig mit dir. Du bist eines meiner besten Werke.
Du wirst den Leuten in Erinnerung bleiben. Nein - stimmt nicht. Sie werden sich an deine Doubles erinnern, wie sie aussehen und was sie tun. Und wie sie ihr Ende finden. Aber niemand wird sich an dich erinnern, obwohl du an ihrer Stelle statt ihnen gestorben bist. Ich lache auf. Schon irgendwie traurig. Aber mir macht das nicht viel aus. Ich bekomme mein Geld, und du - sie werden dich töten. Immer wieder. Bis es perfekt ist.
Ich streife mir meine Handschuhe über. Lasse meinen Blick über mein Werkzeug gleiten. Womit soll ich weitermachen? Du bist ja schon fast perfekt. Dein Auge passt mir nicht. Weg damit. Ich nehme deinen Augapfel in die Hand und betrachte ihn eingehend. Zu trocken. Das braucht mehr Glanz. Eine Schicht Klarlack und das Problem ist gelöst. Zufrieden lege ich dein Auge zum Trocknen auf den kleinen eisernen Rolltisch.
Pling. Ich fahre herum. Was war das? Du sitzt unverändert unter der nackten Glühbirne. Irgendetwas Metallisches ist am Boden aufgeschlagen, ich habe es genau gehört. Mich beschleicht ein Verdacht. Tatsächlich – der Fingernagel von deinem rechten Mittelfinger fehlt. Ist der schon wieder herausgefallen? Wie schaffst du das nur immer wieder? Verärgert lasse ich mich auf die Knie fallen und suche den kalten Steinboden nach dem bescheuerten Teil ab.
Nach reichlich verschwendeter Zeit finde ich es unter dem Rolltisch. Ich nehme deine Hand in meine und sehe sie mir genau an. Warum hält genau dieser eine Fingernagel nicht? Ich werde es mit Superkleber versuchen, obwohl das nicht so gesund für deine Hand sein könnte. Egal. Kleber drauf, Nagel wieder drangesteckt. Fertig. Wehe das hält nicht.
Besänftigt trete ich zurück und lasse meinen Blick über deinen Körper gleiten. Ich glaube, ich muss deine Wangenknochen noch etwas abschleifen. Und deine Hüfte ist mir ein bisschen zu eckig. Langsam gehe ich um dich herum.
Du wirst in viele verschiedene Rollen schlüpfen. Wer weiß, wie sie dich sterben lassen werden. Vielleicht wirst du erhängt? Oder von einer Klippe gestürzt. So viele Möglichkeiten. Ich hoffe nur, dass sie dich nicht köpfen werden – nachdenklich streiche ich mit meinen Fingern über deinen Nacken. Die ganzen Verstärkungen in deinem Hals können die dann schön selbst wieder zusammenflicken. Das werde ich ganz bestimmt nicht machen – hat ja so schon lang genug gedauert, bis dein Kopf nicht mehr einfach nur schlaff auf der Seite hing.
Plötzlich öffnet sich die Kellertür. „Guten Abend!“, gellt es vom Treppenabsatz. Bitte nicht. Ich wollte dich heute noch fertig machen. Daraus wird jetzt wohl nichts. Soll ich dich verstecken, um meiner Oma nichts erklären zu müssen? Zu spät, sie ist schon am unteren Ende der Treppe angekommen. „Was machst du denn- oh!“ Mit ihrem schrecklichen Grinsen im Gesicht kommt sie zu uns herüber. Sie stupst deine Schulter mit ihrem überlangen Fingernagel an. „Die sieht ja aus wie ein echter Mensch!“
„Ach was!“ Ich verdrehe meine Augen. „Das ist ja der Sinn von Stuntpuppen.“¬