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2.Platz: Opa, wieso ist dein Herz schwarz?

Mahnoor Khan

„Ihr Vater wird das nicht überleben. Das Kardiogramm zeigt, dass sein Herz immer schwächer wird. Es sieht fast schwarz aus. Ohne Operation sind die Chancen sehr gering.“

„Opa, wieso ist dein Herz schwarz“?

„Weil ihr weggeht, mich allein lasst.“

„Baba, wieso gehen wir weg. Ich will nicht weggehen. Das ist mein Zuhause.“

„Wie soll ich sonst das Geld verdienen, Mina, diese Operation braucht er und die Universitäten in Österreich bezahlen gut.“

„Und dann wird Opas Herz wieder gesund, wir können wieder nach Hause dann kommen?“

(Opa) „Ja mein Schatz, und zu Hause wirst du auch dort sein, weil du mich tief in deinen Gebeten und in deinem Herz immer haben wirst. Zu Hause ist kein Platz, es ist ein Gefühl Mina, das kannst du überall und jederzeit fühlen.“

„Aber du bist mein Zuhause, Opa …“

„Eines Tages werde ich euch dort besuchen kommen, das ist mein Versprechen.“

(2 Monate später)

„Ich will hier nicht mehr sein, ich hasse es hier. Hier sind die Menschen anders, die Sprache klingt nach russisch und das Essen ist komisch. Wir haben hier nichts, dort hatten wir alles. Du hast alles von mir weggenommen. Du hast meinen Opa von mir weggenommen!“

(Baba) „Hier sind die Straßen sauber, Ausbildung ist gratis und das Wasser ist trinkbar.“

„Ich will kein trinkbares Wasser, ich will, dass Opa mir Geschichten erzählt, dass Oma mir was Gutes kocht und will mit meinen Cousinen frei laufen bis zum Ende des Dorfes!

Ich will nach Hause, Baba.“

„Ich auch, aber du musst für uns alle stark bleiben, Mina.“

(7 Monate später, Baba ist am Telefon mit dem Arzt)

„Sein Herz ist jetzt stabiler, die Operation kann stattfinden.“

„Danke Dr. Rashid, für alles.“

„Sie müssen sich bei ihrem Vater bedanken, er hat die Hoffnung nie verloren. Er hat uns allen ständig gesagt, dass er seiner Enkeltochter noch Geschichten erzählen muss.“

„Ja, er erzählt Mina viele Geschichten. Bitte geben Sie mir dann Bescheid, wie die Operation verlaufen ist.“

„Mache ich. Wiederhören.“

(2 Monate später, das Visum wurde akzeptiert)

Flughäfen sind faszinierend. Jede Sekunde dauert länger als die letzte, ich höre Babas Uhr ticken, dieses irritierende Ticken. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Baba hektisch durch den Flughafen in Richtung eines älteren Mannes rennt und ihn sogleich in einer knochenbrechenden Umarmung festhält. Als ich es realisiere, sprinte ich auch auf ihn zu. Auf mein Zuhause, auf meinen Opa.

(Auf der Autofahrt nach Hause, Baba macht einen Umweg)

„Baba, das ist der falsche Weg, du musst zurück.“

„Sei geduldig, mein Kind, ich will dem Opa was zeigen.“

Bald erreichen wir ein kleines Tal. Ich war schon viele Male hier und bin immer wieder von der Natur fasziniert. Ich schaue meinen Opa an, er hat unvergossene Tränen in den Augen. 

„Das ist der Platz, von dem ich immer erzähle, hier finden alle meine Geschichten statt. Die Tranquilität und die Ruhe, die es hier so deutlich gibt, von diesem Ort träume ich Tag und Nacht. Es gibt die ganze Welt zu sehen, aber wenn ihr mich fragt, ist das hier mein Zuhause, obwohl ich zum ersten Mal hier bin. Das ist ein Stück Paradies auf Erden. Wenn ich könnte, würde ich für immer hierbleiben, mit meiner Familie an meiner Seite. Das ist mein Zuhause. Hier ist mein Herz grün.“

(20 Jahre später)

Wir erreichen alle das plätschernde Wasser des Flusses, das grüne Gras und die schöne Aussicht. Während sich der Rest meiner Familie auf der Wiese niederlässt, machen sich mein Vater und ich auf den Weg. Sein Grab ist deutlich zu sehen, Blumenwiesen umgeben ihn, während er in Frieden ruht, an einem Ort, an dem sein Herz Stille gefunden hat. Mein Opa, der diesen Ort zu meinem Zuhause gemacht hat. Denn dort, wo sein Herz ist, da ist mein Zuhause. Mein Vater und ich sitzen neben seinem Grab: "Noor Ul Islam Khan, ein exzellenter Vater, Lehrer und Geschichtenerzähler". Ich blicke in den klaren blauen Himmel, eine Welle der Gelassenheit überkommt mich, als ich frage: "Großvater, kannst du mir eine Geschichte erzählen?" 

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