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Warten auf morgen

Elena Stadlmann

Wieder einmal starre ich auf die weiß gestrichene Decke. Es ist zwei Uhr nachts. Mein Handy liegt neben mir, der Bildschirm ist dunkel, keine neuen Nachrichten. Der Wind weht, als würde er mir etwas sagen wollen. Wie ein Karussell drehen sich meine Gedanken. Was mache ich hier? Was wird morgen sein? Und warum fühlt sich die Zukunft immer so weit weg an?

Es ist verrückt, wie viel Zeit wir mit Warten verbringen. Warten auf den nächsten Tag, auf den nächsten Sommer, auf den Schulabschluss, auf den Moment, in dem „das Leben“ endlich beginnt. Aber wann weiß ich, dass ich aufhören kann mit dem Warten? Leben wir nicht eigentlich schon die ganze Zeit? Trotzdem fühlt es sich so an, als ob das eigentliche Leben noch gar nicht begonnen hat und die Zukunft irgendwo auf uns wartet. Fast so wie das letzte Level eines Videospiels, das immer schwieriger wird, je näher man ihm kommt.

Neulich ging ich von der Schule nach Hause. Es war einer dieser Tage, an denen einfach nichts passiert. Kein neues Liebespaar der Schule, kein Drama, nur dieser langweilige Alltag. Da hörte ich ein Mädchen zu ihrer Mutter sagen: „Es fühlt sich so an, als ob wir ständig darauf warten bis irgendetwas Großes passiert. Aber irgendwie..passiert es nie.“ Und genau so ist des. Unsere Eltern, Verwandten und Lehrer sagen uns, wir sollen uns auf die Zukunft vorbereiten. Planen, lernen und entscheiden. Jedoch was, wenn die Zukunft nicht so klar ist wie wir alle denken. Du weißt, dass da etwas ist, in uns, dieser Traum der Freiheit und dem „richtigen Leben“ – aber du weißt nicht was dich erwartet. Vielleicht liegt ja darin die Neugierde, Spannung und Unsicherheit, die uns jeden Tag leben lässt und wachhält.

Leider ist es so, die Zukunft wird niemals genau so kommen wie wir sie uns vorstellen oder wünschen. Stell dir vor, du wartest ewig auf die perfekte Szene in einem Film, aber sobald sie kommt, ist sie vorbei, bervor du es merkst. Du hast so lage darauf gewartet und hingearbeitet, dass du den Rest des Films gar nicht richtig wahrgenommen hat. Genau so fühlt sich das Leben manchmal an. Viele von uns glauben, dass irgendwann alles einen Sinn ergeben wird. Jedoch während wir uns immer mit „irgendwann“ beschäftigen, verpassen wir das Jetzt. „Was ist, wenn die Zukunft ganz ander kommt als ich es will? fragt sie ihre Mutter, die nur mit einem Lächeln antwortete und ein „dann müssen wir vielleicht einfach aufhören darüber nachzudenken“, hinzufügte. Was ist, wenn diese Frau recht hatte? Kann es sein, dass das wahre Leben, die wahre Zukunft darin besteht einfach einmal loszulassen und statdessen den Moment zu genießen. Eventuell sollten wir nicht immer nur nach vorne schauen, sondern einfach einmal innehalten und sich umschauen.

Oft geht es in der Schule darum, wer den besten Plan hat. „Was willst du später einmal werden?“, fragen sie, als ob man das wissen müsste. Aber ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Das macht mir manchmal Angst. Mehrfach wird die Zukunft als das große Ziel dargestellt, welches man erreichen muss. Manchmal kommt es mir so vor, dass die Zukunft uns wie ein leuchtender Punkt in der Ferne erscheint, wie ein Stern, der auf uns wartet. Allerdings je mehr ich darüber nachdenke und darüber schreibe, desto mehr frage ich mich ob es nicht die kleinen Dinge im Leben sind, die uns ein Licht bringen. Die Gespräche nach oder in der Schule, das Lachen, das aus dem Nichts kommt, das Gefühl, frei zu sein, auch wenn es nur für wenige Sekunden ausreicht. Womöglich ist die Zukunft gar nicht unser Ziel. Sondern der Weg dorthin. Vielleicht ist es in Ordnung Pläne zu haben, die sich ändern, Träume, die sich verschieben.

Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, fühlt sich alles ein wenig klarer an. Der Wind hat aufgehört zu wehen, die Welt da draußen ist still. Und in genau dieser Stille merke ich, dass die Zukunft gar nicht so weit weg ist. Sie ist genau hier, versteckt in den Minuten und Sekunden, in denen wir versuchen das „Morgen“ zu suchen. Die Zukunft kommt ja, aber sie bleibt nicht stehen. Und vielleicht ist der Trick: zu verstehen, dass wir sie nicht einholen müssen. Dass wir sie machen und jeden Tag mit jeder neuen Erfahrung erweitern und ausschmücken.


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